{"id":7873,"date":"2022-01-18T21:52:30","date_gmt":"2022-01-18T20:52:30","guid":{"rendered":"https:\/\/b13sfdy.myrdbx.io\/?post_type=blog&p=7873"},"modified":"2022-01-21T14:14:13","modified_gmt":"2022-01-21T13:14:13","slug":"der-vergessene-diversity-faktor","status":"publish","type":"blog","link":"https:\/\/b13sfdy.myrdbx.io\/en\/blog\/der-vergessene-diversity-faktor\/","title":{"rendered":"Der vergessene Diversity-Faktor"},"content":{"rendered":"
In diesem Jahr verleiht die EU-Kommission zum ersten Mal den European Capitals of Inclusion and Diversity Award<\/a>. Die Auszeichnung macht europ\u00e4ische St\u00e4dte, Kommunen oder Regionen sichtbar, die sich besonders f\u00fcr Integration und Vielfalt einsetzen. Damit ist sie Teil des Aktionsplans der Kommission zur Bek\u00e4mpfung von Rassismus und zur Gleichstellung von LGBTIQ-Personen. Der Preis orientiert sich daher an den im Vertrag \u00fcber die Arbeitsweise der Europ\u00e4ischen Union (AEUV) genannten Diskriminierungsmerkmalen: Er w\u00fcrdigt bew\u00e4hrte Verfahren, die Diversit\u00e4t (in Bezug auf Geschlecht, Alter, Behinderung, LGBTIQ-Identit\u00e4t, Religion und ethnische oder rassische Herkunft) f\u00f6rdern, hei\u00dft es in den Wettbewerbsregeln<\/a>. Im Jahr 2022 vergibt die EU au\u00dferdem einen Sonderpreis f\u00fcr Kommunen, die die Integration der Roma f\u00f6rdern.<\/p>\n\n\n\n So weit, so gut. Was wir in dieser Auflistung von Diskriminierungsmerkmalen jedoch vermissen, ist die soziale Herkunft, das Einkommen, der Erwerbsstatus \u2013\u00a0oder schlicht die Klasse. Klassismus, also die Diskriminierung von Personen aufgrund ihres sozialen Hintergrunds, betrifft zum Beispiel Erwerbslose, Wohnungslose oder einkommensarme Menschen \u2013\u00a0und \u00fcberschneidet sich dabei h\u00e4ufig mit anderen Diskriminierungsformen wie etwa Rassismus. Obwohl sich Deutschland gerne als Land der Chancengleichheit versteht, erleben viele Menschen in ihrem Alltag klassistische Diskriminierung: in der Schule oder Universit\u00e4t, im Justizsystem \u2013 wenn unbezahlte Bu\u00dfgelder zu Haftstrafen f\u00fchren wie der j\u00fcngste B\u00f6hmermann-Coups<\/a> rund um das Schwarzfahren aufdeckt \u2013, bei Beh\u00f6rdeng\u00e4ngen oder auf dem Job- und Wohnungsmarkt. Wie der\u00a0Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes<\/a>\u00a0von 2021 belegt, werden viele ALG-II beziehende Menschen bei der Wohnungssuche offen abgelehnt \u2013 trotz gesicherter Kosten\u00fcbernahme durch das Jobcenter.<\/p>\n\n\n\n Die Corona-Pandemie hat die soziale Ungerechtigkeit noch verst\u00e4rkt. Dennoch wird die soziale Herkunft bei der Diskussion um Diversit\u00e4t oft vergessen \u2013 sie ist ein blinder Fleck. Sie taucht weder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Diskriminierungsmerkmal auf, noch findet sie Ber\u00fccksichtigung bei der derzeitigen Suche nach Europas #DiversityCapitals. Dabei gibt es da drau\u00dfen viele innovative Projekte, die der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft etwas entgegensetzen. Gro\u00dfe St\u00e4dte wie Helsinki etwa gehen mit Housing First f\u00fcr Wohnungslose mit gutem Beispiel voran. Stephan Karrenbauer<\/a>, politischer Sprecher beim Hamburger Stra\u00dfenmagazin Hinz & Kunzt, hat uns im Interview erkl\u00e4rt, wie das funktioniert:<\/p>\n\n\n\n Wohnungslose bekommen bedingungslos eine Wohnung. Wenn sie dann Hilfe brauchen, stehen wir bereit. Im Augenblick l\u00e4uft es aber genau andersrum. Die Wohnungslosen bekommen eine Wohnung, wenn sie bestimmte Kriterien erf\u00fcllen: Sie m\u00fcssen ihre Schulden regulieren, \u00c4rzte aufsuchen und ihre Z\u00e4hne sanieren lassen. Sie m\u00fcssen sich in einer vor\u00fcbergehenden Wohnung gut verhalten, dann bekommen sie irgendwann den Mietvertrag auf ihren Namen. Dadurch werden sie klein gemacht.<\/p>Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter und politischer Sprecher von Hinz & Kunzt<\/cite><\/blockquote>\n\n\n\n Housing First ist nur ein Beispiel daf\u00fcr, wie St\u00e4dte inklusiver werden und Diversit\u00e4t f\u00f6rdern k\u00f6nnen. Und wie wichtig Vielfalt f\u00fcr das Stadtleben ist, ist in unserer Crowdsourcing-Aktion<\/a> in der Pandemie mehr als deutlich geworden. Dazu tragen auch konsumfreie Orte bei, solidarische Hilfsangebote, wie z.B. kostenfreie Duschen f\u00fcr Wohnungslose<\/a>, bezahlbarer Wohnraum, kostenlose digitale Lernbetreuung f\u00fcr Sch\u00fcler*innen<\/a> und ein niedrigschwelliges Kulturangebot. Ein Award, der auch solche antiklassistischen st\u00e4dtischen Innovationen w\u00fcrdigt \u2013 das w\u00e4re wahrlich divers.<\/p>\n\n\n\n <\/p>\n\n\n\nDie Suche nach der Diversity Capital hat einen blinden Fleck: die soziale Herkunft<\/strong><\/h2>\n\n\n\n
Wir meinen: Da geht noch mehr!<\/strong><\/h2>\n\n\n\n