{"id":3554,"date":"2021-04-09T08:45:20","date_gmt":"2021-04-09T06:45:20","guid":{"rendered":"https:\/\/b13sfdy.myrdbx.io\/?p=3554"},"modified":"2021-11-12T18:33:27","modified_gmt":"2021-11-12T17:33:27","slug":"interview-amelie-deuflhard","status":"publish","type":"nnc-playbook-posts","link":"https:\/\/b13sfdy.myrdbx.io\/en\/nnc-playbook-post\/interview-amelie-deuflhard\/","title":{"rendered":"Post Corona City Playbook \u2013 Interview mit Amelie Deuflhard"},"content":{"rendered":"
F\u00fcr <\/span>Amelie <\/span><\/b>Deuflhard<\/span><\/b>, Intendantin und k\u00fcnstlerische <\/span>Leiterin<\/span> der internationalen Spiel- und Produktionsst\u00e4tte <\/span>Kampnagel<\/span><\/a> in Hamburg, ist die Stadt immer auch eine B\u00fchne. Beispiele daf\u00fcr gibt es viele: vom partizipativen Kunstprojekt im \u00f6ffentlichen Raum der Hamburger Hafencity bis hin zur Zwischennutzung des entkernten Palasts der Republik in Berlin. Die geb\u00fcrtige Stuttgarterin studierte Romanistik, Geschichte und Kulturwissenschaften in Frankfurt am Main, T\u00fcbingen und Montpellier, bevor es sie f\u00fcr viele Jahre nach Berlin verschlug<\/span>. Dort \u00fcbernahm<\/span> sie ab 2000 die Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung und k\u00fcnstlerische Leitung der <\/span>Sophiens\u00e6le<\/span><\/a>.<\/span> Ein Gespr\u00e4ch \u00fcber die Herausforderungen der k\u00fcnstlerischen Arbeit in der Pandemie, den Stillstand des \u00f6ffentlichen Lebens und seine Folgen, das Potenzial von innerst\u00e4dtischem Leerstand und die Frage, wie wir die Stadt heute und in Zukunft divers denken k\u00f6nnen.<\/span> Das Interview mit Amelie <\/span>Deuflhard<\/span> fand am <\/span>04.02.2021<\/span><\/b> statt. Um die Folgen der Corona-Krise abzufedern, legt die Koalition ein milliardenschweres Corona-Hilfspaket auf, das Unternehmen, Gastronomie und Kultur, ebenso wie Geringverdiener*innen und Familien zugutekommen soll.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u00a0<\/span><\/p>\n Urban Change Academy: Wie erlebst Du die Corona-Pandemie bisher pers\u00f6nlich?<\/span><\/b><\/p>\n Amelie <\/span><\/i>Deuflhard<\/span><\/i>: Wie wahrscheinlich bei den meisten Menschen hat sich das \u00fcber diesen langen Verlauf ver\u00e4ndert. Ich lasse mich nicht so leicht unterkriegen und habe vielleicht deshalb noch einigerma\u00dfen gute Laune. Doch mittlerweile empfinde ich es als eine bleierne Zeit. Der erste <\/span>Lockdown<\/span> war wie ein Schock. Ich wei\u00df noch: Wir Theaterintendant*innen <\/span>und der Chef der Elbphilharmonie, wir konnten uns damals nicht vorstellen, dass wir zugemacht werden.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Kampnagel ist eine Institution mittlerer Gr\u00f6\u00dfe, ich habe 130 Mitarbeiter*innen. Ich finde, einen Betrieb in diesen Zeiten zu leiten ist eine echte Herausforderung. Vor allem, wenn man sich entschlie\u00dft, noch irgendwie weiter zu machen. Man kann aber nicht einfach so weitermachen wie bisher. Die ganzen Arbeitsbereiche und Abl\u00e4ufe, die vorher eingespielt waren, die fallen weg. Im B\u00fcro arbeiten wir jetzt dezentral mit digitalen und hybriden Meetings.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n F\u00fcr die k\u00fcnstlerische Arbeit ist die zentrale Frage, wie wir unsere Relevanz, auch die gesellschaftliche, die wir auf Kampnagel ganz selbstverst\u00e4ndlich behaupten<\/span>,<\/span> weiter aufrechterhalten k\u00f6nnen, wenn wir keine Realr\u00e4ume haben, die wir bespielen k\u00f6nnen.<\/span><\/p>\n Dabei besch\u00e4ftigen wir uns intensiv mit der Frage, was die Corona-Pandemie f\u00fcr alle Bereiche des Lebens bedeutet \u2013 lokal wie global. Es zeigt sich, dass die Auswirkungen f\u00fcr privilegierte Menschen lange nicht so gravierend sind, wie f\u00fcr Menschen, die weniger privilegiert sind. Und das kann man lokal, national oder global beleuchten. In Bezug auf die Verteilung von Einkommen, die Kluft zwischen arm und reich, die Klimakrise, die Ungleichheit in der medizinischen Versorgung oder <\/span>Flucht<\/span> und Migration. All diese gesellschaftlichen und globalen Probleme, die im globalen Kapitalismus billigend in Kauf genommen wurden, werden durch die globale Pandemie weiter versch\u00e4rft.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Globalisierung und Migration sind Themen, mit denen sich Kampnagel intensiv besch\u00e4ftigt hat. Ihr habt viel <\/span><\/b>mit Migrant<\/span><\/b>*innen gearbeitet. Inwieweit ist es Euch m\u00f6glich, diese Arbeit fortzuf\u00fchren?<\/span><\/b><\/p>\n Wir arbeiten sowohl lokal mit einer <\/span>migrantischen<\/span> Diaspora als auch in einer Diaspora von Menschen mit Fluchthintergrund. Global arbeiten wir selbstverst\u00e4ndlich mit vielen K\u00fcnstler*innen aus unterschiedlichen L\u00e4ndern und Kontinenten. \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Der internationale Austausch ist im Moment sehr kompliziert, der interkontinentale fast unm\u00f6glich. Ich glaube, das wird leider zun\u00e4chst so bleiben, wenn wir wieder aufmachen d\u00fcrfen \u2013 hoffentlich im Fr\u00fchling, aber vielleicht auch erst im fr\u00fchen Sommer. Das hei\u00dft, wir m\u00fcssen eigentlich unsere Produktionsformen komplett \u00fcberdenken. Wie wir in Zukunft international arbeiten werden, das ist eine Frage, die komplex ist. Ich gehe erstmal davon aus, dass weiterhin gereist werden wird, aber es wird auch andere Formen des Austausches geben.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Zum Beispiel indem St\u00fccke lokal immer wieder neu produziert werden. Das w\u00fcrde bedeuten, dass das St\u00fcck eines internationalen Regisseurs oder einer Choreografin an unterschiedlichen Orten <\/span>mit lokalen K\u00fcnstler<\/span>*innen neu entstehen w\u00fcrde. Bei konzeptionellen Ans\u00e4tzen ist das h\u00e4ufig m\u00f6glich, J\u00e9r\u00f4me Bel praktiziert dieses Prinzip bereits. Man muss aber bedenken, dass es viele K\u00fcnstler*innen aus anderen weniger privilegierten Kontinenten gibt, die von ihrer Reiset\u00e4tigkeit leben und deren k\u00fcnstlerische T\u00e4tigkeit ohne Reisen nicht m\u00f6glich w\u00e4re.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Wie geht Ihr damit um?<\/span><\/b><\/p>\n Ein Beispiel: Wir holen den chilenischen Choreographen Jose Vidal Anfang April nach Hamburg. Die Idee ist, dass er hier mit drei\u00dfig bis f\u00fcnfzig sehr bewegungsfreudigen Laien oder halbprofessionellen T\u00e4nzer*innen aus Hamburg ein St\u00fcck macht, in dem all die Themen, die Corona aufgeworfen hat, aufgegriffen werden. Es geht um N\u00e4he und Distanz, darum wie sich unsere K\u00f6rperlichkeit in diesen Zeiten ver\u00e4ndert hat. Eine wunderbare Herausforderung f\u00fcr einen Choreografen. Jose Vidal hat stets eine sehr intensive, auch dichte K\u00f6rperlichkeit in seinen Choreographien. Wir planen das jetzt einfach und wissen \u00fcberhaupt noch nicht, ob und wie wir die Proben umsetzen k\u00f6nnen!<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Also er kommt tats\u00e4chlich physisch hier nach Hamburg?<\/span><\/b><\/p>\n Ja, er kommt physisch hierher. Vielleicht bringt er auch noch zwei, drei Leute aus seinem Kernteam mit. Wir haben ihm klar gesagt, dass wir noch nicht einmal wissen, ab wann er hier real proben kann und wie klein die Gruppe der Menschen sein muss, mit der er probt. Es kann durchaus sein, dass wir von April bis Mai nur digital proben k\u00f6nnen. Das k\u00f6nnte er dann zwar rein theoretisch auch in Santiago de Chile machen, aber er will gleichzeitig auch recherchieren, um sich hier ein Bild von der lokalen Situation zu machen. Momentan ist meine Strategie, neue Produktionen in unterschiedlichen Szenarien zu denken. Das hei\u00dft: Vidals St\u00fcck kann auf einer unserer Kampnagel-B\u00fchnen zu sehen sein, es kann im Stadtpark oder im Sankt Pauli Stadion aufgef\u00fchrt werden oder im schlechtesten Fall kann es digital im Netz zu sehen sein. Bei den Proben m\u00fcssen die K\u00fcnstler*<\/span>innenteams<\/span> das alles mitdenken, weil der Ort und die Rahmenbedingungen nat\u00fcrlich Folgen f\u00fcr die Inszenierung haben. Eine Herausforderung!<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Welche weiteren Auswirkungen haben die Corona-Einschr\u00e4nkungen f\u00fcr Euch?<\/span><\/b><\/p>\n Die h\u00e4rteste Pandemie-Auswirkung ist f\u00fcr mich pers\u00f6nlich, dass es kein \u00f6ffentliches Leben mehr gibt. Dass es keine Kunst, keine Theater, keine Veranstaltungen und keine Museen gibt, ist nat\u00fcrlich gravierend; aber das Gravierendste ist, dass es \u00fcberhaupt keine Zusammenk\u00fcnfte und Begegnungen mehr gibt, sei es im B\u00fcro, im Verein, im Restaurant, in der Bar oder im Club und das wird Folgen haben. Es gibt kaum noch \u00f6ffentliche Diskurse, daf\u00fcr fehlen schlicht die M\u00f6glichkeiten der Zusammenkunft. Gut \u2013 nat\u00fcrlich auf Zoom. Das hat aber aus meiner Sicht eine schw\u00e4chere <\/span>Verdr\u00e4ngungskraft<\/span> als wenn man mit den Menschen in einem Raum ist.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Dass wir keine Orte haben, wie Restaurants, Bars, Theater, Opernh\u00e4user oder das Rathaus, wo man einfach so hingehen kann<\/span>,<\/span> Festivals \u00fcberall auf der Welt, wo man auf Menschen trifft, die man kennt und Menschen, die man nicht kennt. Das gibt es einfach nicht mehr und das ist ein Riesenproblem, weil das auch Auswirkungen auf die politische Debatte hat.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Welche Auswirkungen sp\u00fcrst oder beobachtest Du konkret?<\/span><\/b><\/p>\n Dinge versch\u00e4rfen sich und werden dadurch noch sichtbarer, zum Beispiel wie \u00f6ffentliche Diskurse gef\u00fchrt werden. Dadurch<\/span>,<\/span> dass viele Menschen sehr ideologisch auf ihrem Standpunkt beharren, ist eine Diskussion oft nicht mehr m\u00f6glich. Auch das Aushalten unterschiedlicher Meinungen: Man kann befreundet sein, kann diskutieren, hat unterschiedliche Haltungen und man ficht diese aus. Und danach setzt man sich wieder an den Tisch und trinkt zusammen ein Bier oder isst zusammen Mittag oder trinkt einen Wein. In dieser Form der Auseinandersetzung fehlt uns langsam die \u00dcbung. Wir werden gerade ja auch nicht mehr wirklich von Parlamenten regiert im Moment. Angela Merkel und <\/span>die Ministerpr\u00e4sident<\/span>*innen \u2013 entscheiden \u00fcber die Ma\u00dfnahmen zur Pandemiebek\u00e4mpfung weitestgehend allein. Fr\u00fcher, also bis letztes Jahr, wurden Entscheidungen demokratisch im Parlament getroffen, aber davon sind wir momentan weit entfernt. Denn die Pandemie macht es erforderlich, dass schnell gehandelt wird. Welche Auswirkungen das auf unsere Demokratie hat, werden wir sehen.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Kunst und Kultur spielen im gesellschaftlichen Diskurs eine zentrale Rolle \u2013 man schaut sich ein St\u00fcck gemeinsam an, und hat vielleicht eine unterschiedliche Meinung dazu \u2013 da f\u00e4ngt es ja schon an. Dass solche Impulse fehlen<\/span><\/b>,<\/span><\/b> f\u00fchlt sich f\u00fcr mich wie eine Art von <\/span><\/b>Vakuum an. Wo findet Reflexion noch statt, wenn nicht wie bisher in den verschiedenen kulturellen und k\u00fcnstlerischen Institutionen?<\/span><\/b><\/p>\n K\u00fcnstlerische Orte sind Orte der Versammlung. Eigentlich gibt es ja gar nicht mal so viele Orte, wo wir hingehen, um uns mit vielen Menschen zu versammeln. Im Fu\u00dfballstadion vielleicht noch, das ist auch ein sch\u00f6ner Ort der Versammlung, vor allem im St. Pauli Stadion. Oder ins Theater, wo man ja hingeht, um ein St\u00fcck anzuschauen, aber eben auch, um andere Menschen zu treffen. Meistens gehen die Menschen zu zweit, oder auch zu mehreren ins Theater. Aber egal wo sie hingehen, wissen sie eigentlich ziemlich sicher, dass sie dort auch noch andere Menschen kennen werden, weil das Orte sind, die regelm\u00e4\u00dfig von bestimmten Gruppen besucht werden. Auf Kampnagel lege ich gro\u00dfen Wert darauf, diese Art der Versammlung \u00fcber das Anschauen des St\u00fccks hinaus zu pflegen. Sei es, dass es danach noch eine Premierenfeier f\u00fcr das Publikum gibt, oder die Besucher*innen die M\u00f6glichkeit haben, sich im Restaurant zusammen zu setzen oder bei uns im Club zu tanzen. So verl\u00e4ngern wir die Zeit des Zusammenkommens \u00fcber die Kunstrezeption hinaus.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Den Versammlungsbegriff habe ich immer sehr stark nach vorne geschoben. Und genau deshalb sind wir Kulturorte fast logischerweise als erste geschlossen worden und werden immer wieder als letzte aufgemacht. Weil wir das Gegenprinzip zu dem sind, was gerade gilt. N\u00e4mlich: bleibt zu Hause und trefft euch nur zu zweit.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Es bleibt nicht viel \u00fcbrig.<\/span><\/b><\/p>\n Alles, was ich sonst in unseren St\u00e4dten nutze, gibt es nicht mehr, mein B\u00fcro einmal ausgenommen und die Stra\u00dfen und Parks. Es ist klar, dass die St\u00e4dte einen Gro\u00dfteil ihrer Funktionen verloren haben \u2013 bis auf den Nahverkehr, das Wohnen und das Arbeiten. S\u00e4mtliche andere Strukturen, die das urbane Leben ausmachen, sind verloren gegangen. Jeder Grund, warum Menschen in der Stadt wohnen wollen, ist momentan aufgehoben. Wenn man nur \u00fcber Zoom kommuniziert, muss man nirgendwo bestimmtes mehr sein.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Kampnagel ist ja wirklich eine Art Campus, ein Begegnungsort, es gibt eine Gastronomie, im Sommer den wundersch\u00f6nen Garten drau\u00dfen. Ihr spielt auch in den Stadtteil hinein, habt eine Nachbarschaftsfunktion. Die Menschen kommen vorbei, treffen sich, die Kinder k\u00f6nnen da rumrennen, oder man kommt einfach, trinkt einen Kaffee oder schaut sich irgendwas an. Also das hei\u00dft, es gibt ja auch noch eine andere Ebene. Das, was sozial da passiert, <\/span><\/b>das<\/span><\/b> k\u00f6nntest du ja nicht mal eben aus Indien mit einem Zoom-Call machen.<\/span><\/b><\/p>\n Deswegen bin ich ja auch weiterhin vor Ort und finde wichtig, dass ich auch in Zeiten des dezentralen Arbeitens pers\u00f6nlich ansprechbar bleibe. Eine der sch\u00f6nsten Entwicklungen in Sachen sozialem Leben fand hier auf dem Kampnagel Gel\u00e4nde w\u00e4hrend des ersten <\/span>Lockdowns<\/span> statt, als die Spielpl\u00e4tze geschlossen waren. In unserem Eingangsbereich gibt es eine Betonrampe \u2013 die wurde pl\u00f6tzlich von Kindern und Jugendlichen zum Spielplatz transformiert. Zu jeder Zeit waren da Skater, kleine Kinder kamen mit ihren Eltern. Der Vorplatz wurde einfach ein Spielplatz, die Menschen haben sich den \u00f6ffentlichen Raum einfach neu angeeignet. Verantwortlich nat\u00fcrlich, im Sinne der Corona-Regeln. Das fand ich ganz toll, weil das quasi ein transformiertes soziales Leben ist – aus dem Theater-Eingangsbereich wurde ein Spielplatz gemacht. Das ist nat\u00fcrlich besonders sch\u00f6n, weil wir ja beruflich auch spielen.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Kommen wir noch mal ein bisschen mehr auf Stadt, Gesellschaft und Corona zu sprechen. Du hattest ja auch gesagt, dass es gerade so gut wie kein \u00f6ffentliches Leben gibt. Wie ver\u00e4ndert sich die Rolle der B\u00fcrger*innen in einer Post-Corona-Stadt?<\/span><\/b><\/p>\n Das ist eine sehr gute Frage. Also ich bin \u00fcberzeugt, dass die B\u00fcrger*innen das soziale Leben sofort wieder aufnehmen werden, sobald das wieder erlaubt ist. Ich hoffe, dass Menschen, die schon lange Dinge angesprochen und diskutiert haben, die jetzt so sichtbar geworden sind, in Zukunft eine st\u00e4rkere Rolle in der \u00f6ffentlichen Debatte bekommen. Das k\u00f6nnen akademische oder aktivistische Positionen sein. Bestenfalls bekommen die mehr Geh\u00f6r. Das w\u00e4re eine sehr optimistische Auslegung der Post-Corona-Zeit. Sicher ist das nicht. Ich glaube, dass die Leute, die unsere Gesellschaft, unsere Welt, kritisch begleiten, ohnehin versuchen sollten, sich mehr Positionen im \u00f6ffentlichen Leben zu erobern. Wir brauchen die \u00f6ffentliche Debatte!<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Wie k\u00f6nnte das bestenfalls aussehen?<\/span><\/b><\/p>\n Mehr Fokus auf das Soziale, weniger Egoismus. Damit meine ich: nicht nur an den pers\u00f6nlichen Erfolg denken. Entschleunigung ist auch ein interessantes Thema. Der Kapitalismus basiert ja auf dem Motto: h\u00f6her, schneller, weiter. Dabei hat die Verlangsamung durchaus interessante Aspekte, wenn man das durchdenkt. Vielleicht hinterfragen das jetzt manche Menschen, denen es vorher immer nur darum ging, noch schneller, noch besser zu werden und noch mehr Geld zu verdienen. Dieser brutale Stopp, den wir jetzt alle im Leben haben und hatten, dem kann man ja auch ein paar interessante Aspekte abgewinnen: mehr Zeit zum Nachdenken, nicht so gehetzt zu sein, weniger reisen, weniger Mobilit\u00e4t \u2013 das hat sicherlich <\/span>Nachteile,<\/span> aber das kann auch Vorteile haben.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Welche Ph\u00e4nomene, die wir jetzt heute noch nicht beobachten, erwartest Du bedingt durch Corona f\u00fcr die Zukunft der St\u00e4dte?<\/span><\/b><\/p>\n Eine Entwicklung, die sich schon vor Corona abgezeichnet <\/span>hat<\/span> ist, dass St\u00e4dte heute eigentlich reine Konsumareale sind, die, wenn die Konsumm\u00f6glichkeiten so wie jetzt geschlossen werden, sehr, sehr unattraktiv sind. Es gibt ja viele <\/span>Menschen<\/span> die schon l\u00e4nger sagen, dass wir unsere St\u00e4dte gr\u00fcner und autofrei machen m\u00fcssen. Da k\u00f6nnte Corona wirklich ein positiver Beschleuniger sein. \u00dcbrigens, auch diverser in den Nutzungen. Die Innenstadt muss nicht nur aus Gesch\u00e4ften bestehen. Da k\u00f6nnte ja auch mal ein Start-up sein oder eine Kreative, eine Designerin mit ihrer Werkstatt. Dann w\u00e4re es viel interessanter, sich da umzuschauen. In Bezug auf Hamburg: Was macht man denn mit den leerstehenden Karstadt- und Kaufhof-Geb\u00e4uden? K\u00f6nnte man doch auch <\/span>super cool<\/span> umnutzen<\/span>.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Wie w\u00fcrdest Du das leerstehenden Karstadt-Geb\u00e4ude denn nutzen?<\/span><\/b>\u00a0<\/span><\/p>\n Das k\u00f6nnte und sollte man erst mal kulturell zwischennutzen. Und was tempor\u00e4re kulturelle Nutzungskonzepte angeht \u2013 da bin ich Expertin. Zum Beispiel habe ich mit einer Gruppe anderer Akteur*innen den Palast der Republik in Berlin zwischengenutzt. Eine Zwischennutzung ist immer <\/span>zu allererst<\/span> ein Experiment. Man schaut, was geht, ohne alles vorher festzulegen \u2013 man arbeitet prozessual. In das Karstadt Geb\u00e4ude k\u00f6nnte man kleinere L\u00e4den von jungen Galeristen reinlassen, Startups, K\u00fcnstler*innen, <\/span>Coworking<\/span> Spaces, Ateliers, und <\/span>und<\/span> und<\/span>. So kann entwickelt werden, was es an diesem Ort eigentlich br\u00e4uchte. Und aus dem Tempor\u00e4ren kommen dann meistens ziemlich schnell Ideen, wie auch eine Nachnutzung aussehen k\u00f6nnte.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Welche F\u00e4higkeiten sind f\u00fcr <\/span><\/b>Dich<\/span><\/b> pers\u00f6nlich wichtig, um jetzt mit dieser Krisensituation umzugehen und auch auf einer anderen Ebene, auf Stadtebene oder Beh\u00f6rdenebene, welche F\u00e4higkeiten sind dort wichtig?\u202f<\/span><\/b><\/p>\n Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen bl\u00f6d, weil wir von einer sehr <\/span>ernstzunehmenden<\/span> Pandemie sprechen \u2013 aber strukturell finde ich Krisenzeiten immer auch interessant. Es sind Zeiten, in denen das Alte teilweise weggefegt wird und sich das Neue im besten Fall entwickeln kann. Mich belebt das eher, als dass es mich l\u00e4hmt. Ich m\u00f6chte L\u00f6sungen und neue Konzepte entwickeln. Das, was hier in der Pandemie von uns verlangt wird, ist f\u00fcr viele Menschen fast nicht auszuhalten, sie sehen sich pl\u00f6tzlich mit dem Tod konfrontiert, auch junge Menschen. Andere werden extrem ausgegrenzt, zum Beispiel Kinder, die zuhause keine Lernhilfe oder ohnehin Probleme mit der Sprache haben.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Es gibt einerseits privilegierte Menschen, die mit so einer Krise gut umgehen k\u00f6nnen. Aber es gibt andererseits auch viele, die damit gar nicht umgehen k\u00f6nnen. Und mit der Fortdauer dieser langen Strecke, die wir wahrscheinlich noch zu gehen haben, wiegt das immer schwerer. Ich denke so langsam, dass man es irgendwie h\u00e4tte schaffen m\u00fcssen, differenzierter mit den Corona-Ma\u00dfnahmen umzugehen und auch andere gesellschaftliche Aspekte mehr einzubeziehen. Die sozialen Probleme, die dahinter lauern, dass die jetzt m\u00f6glicherweise gar nicht mehr angegangen werden, das finde ich <\/span>super problematisch<\/span>. Und ich glaube, da m\u00fcssen auch neue Ideen entwickelt werden. Aber da wir keinen breiten \u00f6ffentlichen Diskurs mehr haben \u2013 es trifft jetzt nur noch der kleine Club der Chefs und Chefinnen die Entscheidungen \u2013 wird das immer eindimensionaler.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n \u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n Was sollte eine Urban Change Academy vermitteln?\u202f<\/span><\/b><\/p>\n Ich glaube, dass es wichtig ist, dass es zu einer umfassenden gesellschaftlichen Beteiligung kommt. Damit meine ich jetzt nicht, dass jeder Einzelne mitreden soll, sondern dass man m\u00f6glichst viele Menschen aus m\u00f6glichst vielen Bereichen dazu holt: verschiedene Generationen, M\u00e4nner, Frauen, Einwanderer, Gefl\u00fcchtete, Homosexuelle, Heterosexuelle, Transgender und so weiter. Unterschiedliche Wirtschaftszweige, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Pfarrer von mir aus \u2013 das ist ja auch ganz interessant, was die sagen w\u00fcrden, wie eine Stadt zuk\u00fcnftig funktionieren kann. Ein B\u00fcndnis <\/span>aus unterschiedlichen Denker<\/span>*innen verschiedener Richtungen und mit unterschiedlichen <\/span>Herk\u00fcnften<\/span>, das w\u00e4re interessant und kann neue Perspektiven er\u00f6ffnen. Da f\u00e4llt mir jetzt noch ein konkretes Beispiel ein: das Altersheim der Zukunft. Wir denken immer, dass nur Deutsche im Altersheim sitzen. Was ist denn zum Beispiel mit den alten Menschen, die in Anatolien gro\u00df geworden sind? Die bekommen Essen, das ganz anders ist, als sie selbst gekocht haben. Wir m\u00fcssen unsere Gesellschaft divers denken, denn die Stadt (heute) und in der Zukunft ist divers und das muss da mitgedacht werden, also nicht nur unterschiedliche Disziplinen, sondern auch \u2013 vielleicht lernen wir das irgendwann \u2013 dass wir ein Einwanderungsland sind und sich Menschen aus ganz vielen <\/span>Herk\u00fcnften<\/span> in den St\u00e4dten versammeln.<\/span>
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