{"id":3560,"date":"2021-04-08T08:45:49","date_gmt":"2021-04-08T06:45:49","guid":{"rendered":"https:\/\/b13sfdy.myrdbx.io\/?p=3560"},"modified":"2021-11-12T18:33:27","modified_gmt":"2021-11-12T17:33:27","slug":"interview-dieter-laepple","status":"publish","type":"nnc-playbook-posts","link":"https:\/\/b13sfdy.myrdbx.io\/en\/nnc-playbook-post\/interview-dieter-laepple\/","title":{"rendered":"Post Corona City Playbook \u2013 Interview mit Dieter L\u00e4pple"},"content":{"rendered":"

Dieter L\u00e4pple<\/span><\/b> ist <\/span>emeritierter <\/span>Professor f\u00fcr Stadtforschung an der <\/span>HafenCity<\/span> Universit\u00e4t Hamburg. Viele Jahre leitete er das Institut f\u00fcr Stadt\u00f6konomie an der TU Hamburg und lehrte und forschte in Berlin, Amsterdam, Paris, Aix-en-Provence, Marseille und Leiden. Er war Fellow der Brookings Institution in Washington, Berater des \u201eUrban Age\u201c-<\/span>Programms<\/span> der London School <\/span>of<\/span> Economics und ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des <\/span>Singapore<\/span>-ETH Center: \u201eFuture Cities Laboratory\u201c. Wir haben uns mit ihm dar\u00fcber unterhalten, wieso <\/span>Corona<\/span> die <\/span>Commons<\/span> wieder in den Mittelpunkt der Stadtentwicklungspolitik r\u00fcckt, was Innenst\u00e4dte von Quartierszentren lernen k\u00f6nnen und wie wir auf st\u00e4dtischer Ebene Zukunft gestalten<\/span> k\u00f6nnen<\/span>.<\/span><\/p>\n

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Das Interview mit Dieter L\u00e4pple fand am <\/span>25.09.2020<\/span><\/b> statt. Die Corona-Neuinfektionen in Deutschlands Nachbarl\u00e4ndern steigen. Die Bundesregierung erkl\u00e4rt ganz Tschechien, Luxemburg und das \u00f6sterreichische Bundesland Tirol zu Corona-Risikogebieten.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

\u00a0<\/span><\/p>\n

Urban Change Academy: Wir reden ja immer gerne davon, dass wir mehr Ausnahmezust\u00e4nde in der Stadtentwicklung brauchen. Jetzt haben wir einen, der ganz massiv ist. In welchen Bereichen sp\u00fcrst Du die Ver\u00e4nderungen ganz besonders?<\/span><\/b><\/p>\n

Dieter L\u00e4pple<\/span><\/i>: Es herrscht eine tiefe Verunsicherung, die sehr unterschiedlich verarbeitet wird. Auf den ersten Blick scheint es, dass sich ein gro\u00dfer Teil der Bev\u00f6lkerung relativ diszipliniert verh\u00e4lt. Allerdings macht sich inzwischen immer mehr Ersch\u00f6pfung breit. Eine Minderheit verdr\u00e4ngt den Ausnahmezustand. Vor allem aber bleiben viele Folgen dieses Ausnahmezustandes unsichtbar. Um es mit <\/span>Brecht\u2018s<\/span> Dreigroschenoper<\/span><\/i> zu sagen: Die einen stehen im Dunkeln, die anderen stehen im Licht. Die im Lichte kann man sehen, die im Dunkeln sieht man nicht. Ich denke, die wichtigsten Auswirkungen gibt es bei den Menschen im Dunkeln. Also an den sozialen Br\u00fcchen und Grenzen in der Stadt. Wir sehen nicht die <\/span>Armut, insbesondere kaum die Kinderarmut \u2013 die findet hinter verschlossenen T\u00fcren statt. Wir sehen nicht die Probleme beim Tele-Learning der <\/span>migrantischen<\/span> Familien. Wir sehen nicht die Kurzarbeit, wir sehen die Menschen nicht, die ihren Job verloren haben. Was wir sehen, sind Leute, die eine Sehnsucht nach einer neuen Sozialit\u00e4t haben und sozial pr\u00e4sent sind. Interessant sind zum Beispiel die Versuche einer sozialen Aneignung der Stra\u00dfen. Dies <\/span>war<\/span> zumindest in der Zwischenphase der selektiven \u00d6ffnungen eine bemerkenswerte Entwicklung.\u00a0<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

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Was beobachtest <\/span><\/b>Du<\/span><\/b> noch?<\/span><\/b><\/p>\n

Besonders interessant ist, dass die Arbeit wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit r\u00fcckt. Zun\u00e4chst, was als systemisch notwendige Arbeit bezeichnet wurde, also zum Beispiel Arbeit im Krankenhaus, an der Supermarktkasse oder bei der M\u00fcllabfuhr. Heute haben wir diese Formen der Arbeit fast schon wieder verdr\u00e4ngt. Inzwischen r\u00fcckt \u2013 als neuer Hype \u2013 das Homeoffice in den Mittelpunkt der Diskussion, vielfach verbunden mit einer gewissen Glorifizierung. Gesehen werden zun\u00e4chst die neuen Freiheiten. Man spart den Weg ins B\u00fcro, ist nicht mehr den Zw\u00e4ngen einer hierarchischen Organisation ausgesetzt. Aber dahinter verbergen sich jedoch auch neue Unternehmensstrategien. F\u00fcr die Besch\u00e4ftigten ist das Homeoffice vor allem ein Versuch, mehr Autonomie zu bekommen, mehr Zeitsouver\u00e4nit\u00e4t. F\u00fcr die Unternehmen dient das sogenannte \u201e<\/span>Homeshoring<\/span>\u201c dazu, Probleme und Kosten in die Haushalte auszulagern. Es werden Strategien entwickelt, wie man B\u00fcrofl\u00e4chen und B\u00fcroeinrichtungen einsparen kann. Fr\u00fcher oder sp\u00e4ter wird es zu einer Spaltung der Belegschaften kommen. Die einen werden in <\/span>standardisierbare<\/span> Arbeitsprozesse abgedr\u00e4ngt, die man letztlich auch als „<\/span>Clickworking<\/span>\u201c \u00fcber digitale Plattformen \u201eoutsourcen\u201c kann. Bei den anderen werden sich vielleicht hybride Arbeitsformen aus einer Mischung von Pr\u00e4senzarbeit und Remotearbeit etablieren. Auf jeden Fall sind wir mit einer Umbruchsituation konfrontiert, wo sehr aufmerksam geschaut werden muss, was passiert, wer sind die Akteure, wer gestaltet die Entwicklungen, welche Dynamiken und Einflussfaktoren stecken dahinter?<\/span><\/p>\n

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Wenn Du die letzten Monate Revue passieren l\u00e4sst: Welche R\u00e4ume in der Stadt haben an Bedeutung gewonnen?<\/span><\/b><\/p>\n

Die gro\u00dfe Lehre von Corona ist die zentrale Bedeutung der <\/span>Commons<\/span> oder der Daseinsvorsorge. Also Bereiche, die keiner direkten Verwertungslogik unterworfen sind und auch keiner direkten Disziplinierung durch den Staat. Es erwies sich als \u00e4u\u00dferst bedeutsam, dass wir \u00f6ffentliche Gesundheitssysteme haben, dass wir \u00f6ffentliche R\u00e4ume haben, die M\u00f6glichkeiten bieten, die isolierte Wohnung zu verlassen und neue Formen der Kommunikation zu finden. Da, wo die <\/span>Commons<\/span> weniger ausgepr\u00e4gt sind, wird die Gesellschaft extrem verletzlich. Vor allem diejenigen, die sowieso schon in einer prek\u00e4ren Situation sind, zum Beispiel beengt wohnen, haben dann keinen Spielraum mehr auszuweichen. Probleme kumulieren sich dann innerhalb der Wohnung \u2013 zum Beispiel in der Form h\u00e4uslicher Gewalt. Das hei\u00dft, die <\/span>Commons<\/span> sind auch ein Ventil, eine \u00d6ffnung der Privatheit und eine Br\u00fccke zur \u00d6ffentlichkeit. F\u00fcr mich ist eine der zentralen Aufgaben, die <\/span>Commons<\/span> weiter auszubauen.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

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Wie kann das aussehen?<\/span><\/b><\/p>\n

Wir m\u00fcssen die Idee der Allmende wieder aktivieren: Wir brauchen Formen der Daseinsvorsorge, die von der Zivilgesellschaft verwaltet und genutzt werden, wobei die elementaren Nutzungsregeln in der Zivilgesellschaft ausgehandelt werden sollten. Was wir gerade auf den Stra\u00dfen erleben, entspricht dieser Logik: Die Leute halten sich nicht mehr an die Stra\u00dfenverkehrsordnung, sondern gehen auf die Stra\u00dfe und versuchen, den <\/span>Shared<\/span> Space zu antizipieren und Verhalten so auszutesten, dass man den schw\u00e4chsten Verkehrsteilnehmer zumindest ber\u00fccksichtigt. Das ist eine Art Spiel, indem neue Regeln entwickelt werden, ohne auf den Staat zu warten. Wichtig w\u00e4re, dass der Staat solche Prozesse und die damit verbundenen Kompromisse aufgreift, sie weiterentwickelt und ihnen \u00fcber entsprechende <\/span>Governance<\/span>-Strukturen eine Stabilit\u00e4t gibt. Dies gilt \u00fcbrigens nicht nur f\u00fcr den sozialen und kulturellen, sondern auch den kommerziellen Bereich.\u00a0<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

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An welchen kommerziellen Bereich denkst Du da?<\/span><\/b><\/p>\n

Nehmen wir die Diskussion \u00fcber den Niedergang der Innenstadt. \u00dcber Jahrzehnte hat man versucht m\u00f6glichst viel Kaufkraft in die Stadt zu ziehen. Die Folge: eine Vermarktung der Innenstadt und der \u00f6ffentlichen R\u00e4ume. Dadurch hat sich ein urbaner Kannibalismus durchgesetzt, durch den \u00fcber exzessive Mietforderungen die St\u00e4rkeren die Schw\u00e4cheren rausgedr\u00e4ngt haben. Man hat zerst\u00f6rt, was die Innenstadt eigentlich ausmachen m\u00fcsste: die Vielfalt, die Aufenthaltsqualit\u00e4t und den Eigensinn des \u00f6ffentlichen Raumes. Jetzt zu versuchen, dieses System durch staatliche Subventionen zu retten, verl\u00e4ngert nur die Probleme. Wir haben jetzt die Chance, dar\u00fcber nachzudenken, wie wir wieder zu \u00f6ffentlichen R\u00e4umen kommen, die nicht dem Markt unterworfen sind. Wo man sitzen kann, ohne dass man gegen Geld etwas konsumieren muss. Es geht schlie\u00dflich um das urbane Herz der Stadtgesellschaft. Gleichzeitig m\u00fcssen wir eine Strategie finden, um wieder Vielfalt und Lebensqualit\u00e4t in die Stadt zu bekommen. Hier lohnt ein Blick nach Frankreich. Als in Paris der letzte Buchladen zu verschwinden drohte, wurde die \u201eCoeur-de-la-<\/span>ville<\/span>\u201c-Strategie entwickelt, um das \u201eHerz der Stadt\u201c zu retten. Der Staat hat richtig Geld in die Hand genommen, um leere Ladenlokale aufzukaufen und sie wieder an eigent\u00fcmergef\u00fchrtes Gewerbe zur vermieten oder eventuell auch zu verkaufen. Mit anderen Worten, die Stadt interveniert, um die Versorgungsqualit\u00e4t und die Aufenthaltsqualit\u00e4t zu retten. Sie behandelt die Ladenlokale als ein St\u00fcck Daseinsvorsorge und Infrastruktur und gibt den Innenst\u00e4dten so wieder eine Perspektive. Dieser Strategie liegt der Gedanke einer \u201eurbanen Rendite\u201c zugrunde, \u00fcber die sich diese Strategie mittelfristig f\u00fcr die Stadt ausbezahlt, die Stadt wieder ihr \u201eurbanes Herz\u201c und einen vielf\u00e4ltigen, vitalen Einzelhandel zur\u00fcckgewinnt. Das sind Handlungsans\u00e4tze, die auch wir pr\u00fcfen sollten.<\/span><\/p>\n

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Es ist eine grundlegende \u00f6konomische Regel, dass man investieren muss, um Ver\u00e4nderung hervorzurufen. Die Diskussion wird jetzt auch in Deutschland lauter. Wir schauen immer schnell auf den Bund \u2013 k\u00f6nnte das auch eine L\u00e4nderstrategie sein?<\/span><\/b><\/p>\n

Bei uns in Hamburg tut man sich bisher mit solchen investiven Strategien schwer. Es ist zu diskutieren, ob wir f\u00fcr eine solche investive Strategie einen revolvierenden Sonderfonds einrichten, um besser agieren zu k\u00f6nnen. Im Moment wird viel Geld in \u201e<\/span>Flows<\/span>\u201c gepumpt, zum Beispiel in der Form von Kompensationen f\u00fcr Einkommensausf\u00e4lle, was nat\u00fcrlich wichtig ist. Aber es fehlen strategische Investitionen in die Substanz und den Aufbau einer zukunftsf\u00e4higen Infrastruktur im oben skizzierten Sinne. Wir k\u00f6nnen die Innenstadt nicht \u00fcber Subventionen oder Einkommenskompensationen retten. Wir m\u00fcssen die Bestandsstrukturen stabilisieren, aufwerten und ihnen teilweise den Charakter von Infrastrukturen geben. F\u00fcr eine <\/span>solche Strategie braucht man flexible Handlungs- oder <\/span>Governancestrukturen<\/span> und innovative Finanzierungskonzepte.<\/span><\/p>\n

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Damit sind wir beim Thema Innenstadtmanagement. Es gibt hier eine starke Polarit\u00e4t: auf der einen Seite die Verwaltungen, die sich mit neuen Konzepten oder der Wirtschaftsf\u00f6rderung um die Innenstadt k\u00fcmmern. Auf der anderen Seite die eher h\u00e4ndlerorientierten Innenstadtinteressensverb\u00e4nde, die es an vielen Orten gibt. Brauchen wir da eine ganz andere Struktur?<\/span><\/b>\u00a0<\/span><\/p>\n

Es reicht nat\u00fcrlich nicht, Blumenk\u00fcbel aufzustellen und Werbekampagnen zu machen. Entscheidend ist, die Nutzungsvielfalt zu erh\u00f6hen. Wir brauchen auf jeden Fall einen kritischen Anteil Wohnen in der Innenstadt. Besonders wichtig sind nat\u00fcrlich die Erdgeschosse \u2013 ihre Nutzung pr\u00e4gt den Charakter des Stra\u00dfenraumes. In dem Zusammenspiel von gewerblichen und gemeinschaftlichen Nutzungen der Erdgeschosse mit dem Stra\u00dfenraum entfaltet sich urbanes Leben im Quartier. Im Bereich des Neubaus wurden interessante Handlungsans\u00e4tze entwickelt, die man in modifizierter Weise auch auf eine Innenstadttransformation anwenden k\u00f6nnte.<\/span><\/p>\n

Bei dem Neubauprojekt der Wiener \u201eSeestadt <\/span>Aspern<\/span>\u201c zum Beispiel wurde eine \u201ePartitur\u201c f\u00fcr die Gestaltung der Erdgeschosszone formuliert. Dazu geh\u00f6ren: vier Meter Raumh\u00f6he, Transparenz zum \u00f6ffentlichen Raum und eine belebende, <\/span>nach au\u00dfen wirksame Nutzung<\/span>. Da kommt normalerweise sofort der Einwand: Das ist unter Marktbedingungen nicht realisierbar. Deshalb wurde von der Entwicklungsgesellschaft eine Einkaufsstra\u00dfen GmbH gegr\u00fcndet, die die Vermarktung vorbereitet, das Leerstandrisiko \u00fcbernimmt und die Mietpreise so gestaltet, dass sich ein vielf\u00e4ltiger, den Bed\u00fcrfnissen des Quartiers entsprechender Nutzungsmix entwickeln kann. Auch diesem Ansatz liegt die Idee einer \u201eurbanen Rendite\u201c oder \u201eStadtteilrendite\u201c zugrunde: lebendige Erdgeschosszonen mit ganz unterschiedlichen gewerblichen, kulturellen und gemeinschaftlichen Nutzungen bedeuten eine gute Versorgungsqualit\u00e4t und sind wichtige Begegnungsorte, die zu einer Entfaltung von urbanem Leben beitragen k\u00f6nnen. Wie k\u00f6nnte man so ein Modell f\u00fcr ein Bestandsquartier oder einzelne Geb\u00e4udebl\u00f6cke in der Innenstadt entwickeln? Welche rechtlichen Instrumente sind daf\u00fcr n\u00f6tig? Welche Formen der Querfinanzierung sind m\u00f6glich? Wie m\u00fcsste die <\/span>Governance<\/span>-Struktur gestaltet werden, um derartige Transformationen in Gang zu setzen. Das ist ein Lernfeld, das wir austesten m\u00fcssen. Der Markt wird es allein nicht richten.<\/span><\/p>\n

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Wenn wir von Innenst\u00e4dten sprechen, haben wir meistens Gro\u00dfstadtinnenst\u00e4dte, wie Wien oder Hamburg, vor Augen. Wir haben auch viele Zentren in Klein- und Mittelst\u00e4dten.<\/span><\/b><\/p>\n

Eins m\u00f6chte ich betonen: Noch wichtiger als die Innenst\u00e4dte sind die Zentren in den Quartieren. Meine Vision ist stark gepr\u00e4gt durch die Idee der 15-Minuten-Stadt, wie sie von Anne Hidalgo, der B\u00fcrgermeisterin von Paris konzipiert wurde. Also ein polyzentrischer Umbau der Stadt, so dass alle wichtigen Funktionen, die wir im t\u00e4glichen Leben brauchen, im Laufabstand oder mit dem Fahrrad innerhalb von zehn oder f\u00fcnfzehn Minuten zu erreichen sind. Mit der historisch gewachsenen polyzentrischen Struktur haben wir in Hamburg gute Ausgangsbedingungen f\u00fcr einen solchen Stadtumbau. Wir haben bereits in vielen Stadtteilen vitale Quartierszentren, wo es Bindungen der Kunden zu den Unternehmen gibt und wo Unternehmen eine aktive Pflege ihrer Kundenbeziehungen betreiben. Einige Unternehmen sind sehr innovativ. Sie versuchen ihre Arbeit mit digitalen Mitteln zu verbessern, richten <\/span>Quartiersplattformen ein, bieten <\/span>Bringdienste<\/span> mit Lastenfahrr\u00e4dern an. Sie richten ihre Angebote auf spezifische Kundenbedarfe aus und st\u00e4rken damit die Kundenbindung. Ich denke, dass die Innenstadt viel von den Quartierszentren lernen k\u00f6nnte. Mein Traum w\u00e4re es, solche kundenorientierten Strategien mit urbanen Manufakturen zu erg\u00e4nzen und zu untermauern.\u00a0 Es w\u00e4re wunderbar, wenn es gel\u00e4nge Formen der urbanen Produktion in die Quartiere zu integrieren und damit dem \u201efluiden\u201c Handel durch eine Verkn\u00fcpfung mit Formen der kundenspezifischen Produktion eine Erdung zu geben.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

Solche Ideen, die in den Quartierszentren schon teilweise realisiert sind, k\u00f6nnten auch eine Leitorientierung f\u00fcr Zentren in Klein- und Mittelst\u00e4dte sein.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

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K\u00f6nnte die Corona-Krise auch eine Chance sein, die Produktion zur\u00fcck in die Stadt, zur\u00fcck in die Region zu holen? Oder ist das nur eine naive Idee?<\/span><\/b><\/p>\n

Diesen Gedanken finde ich nicht naiv. Wir stehen vor der historisch einmaligen Chance, Produktion wieder zur\u00fcck in die Stadt zu bringen, die auf der Basis digitaler Technologien stadtvertr\u00e4glich und stadtaffin ist. Damit k\u00f6nnen wir auch Produktion umweltvertr\u00e4glich gestalten und Ans\u00e4tze einer Kreislaufwirtschaft realisieren. Es gibt bereits sehr gute Ans\u00e4tze.\u00a0\u00a0 Tr\u00e4ger solcher Prozesse sind in der Regel Gr\u00fcnder, Start-ups, die es in der Krise besonders schwer haben. Wir brauchen dazu ein Programm, das mit der Pr\u00e4misse startet: Wir setzen auf Erneuerung und dazu brauchen wir die Start-ups, diese Gazellen-Unternehmen. Wir bieten ihnen Entwicklungsm\u00f6glichkeiten in der Stadt. Das beginnt <\/span>zu allererst<\/span> mit entsprechender Fl\u00e4chenbereitstellung. Und wir brauchen entsprechende Finanzierungsmodelle.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

Im technologischen Bereich sehen wir faszinierende Entwicklungen. Als Alternative zu der \u201estadtfeindlichen\u201c Massenproduktion, kann eine personalisiert On-Demand-Produktion realisiert werden – zum Beispiel mit einfach zu programmierende Leichtbauroboter und 3D- Druckern. Wir sehen solche Hotspots in New York in der Brooklyn Navy Yard, wir sehen sie in Rotterdam und anderen St\u00e4dten. Die Frage ist, wie schaffen wir ein Milieu, damit es auch zu einer Verallgemeinerung kommen kann? Ich bef\u00fcrchte, dass die St\u00e4dte und der Staat damit \u00fcberfordert sind, die verschiedenen guten Ans\u00e4tze voranzubringen. M\u00f6glicherweise br\u00e4uchten wir auch private Tr\u00e4ger, so wie die Factory in Berlin, wo sich Investoren zusammengefunden haben, um auf urbanen Produzenten zu setzen und versuchen, daf\u00fcr auch tragf\u00e4hige Gesch\u00e4ftsmodelle zu entwickeln.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

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Einige der gro\u00dfen Unternehmen in den Gewerbegebieten haben finanzielle Probleme. Welche Zukunft siehst Du angesichts von Corona f\u00fcr die klassischen Gewerbe- und Industriestandorte?\u00a0<\/span><\/b>\u00a0<\/span><\/p>\n

Der produzierende Bereich bildet eine nicht wegzudenkende Grundlage f\u00fcr eine funktionierende Stadt. Grunds\u00e4tzlich gilt, wir brauchen Mut zu neuen Formen der <\/span>Durchmischung.<\/span> Anstelle von monofunktionalen Gewerbegebieten sollten neuen Mischformen von Arbeiten und Wohnen entwickelt werden.\u00a0 Der Gewerbestandort der Zukunft ist die nutzungsgemischte Stadt und nicht das Gewerbegebiet. Die Unternehmen, die jetzt gegr\u00fcndet werden, wollen sich nicht irgendwo in einem monofunktionalen Gewerbegebiet ansiedeln, sondern in einer vitalen, lebendigen Stadt mit Nutzungsmischung. Nicht nur die Medienleute wollen nachmittags in der Umgebung Kaffee trinken oder Mittagessen gehen.\u00a0<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n

In Hamburg sind vierzig Prozent der Gewerbegebiete qua Gesetz monofunktional: das sind die Hafenfl\u00e4chen. Da gibt es eine v\u00f6llig <\/span>disfunktionale<\/span> Unternutzung der verf\u00fcgbaren Fl\u00e4chen. Wir haben riesige Fl\u00e4chenreserven und die m\u00fcssten im Interesse der Stadt und des <\/span>Hafens ge\u00f6ffnet und aktiviert werden. Der Hafen braucht die st\u00e4dtischen Akteure, er braucht eine vitale, st\u00e4dtische Struktur, die den neuen Produktionsm\u00f6glichkeiten auch ein Entwicklungsmilieu bietet. Allerdings: nicht alle produktiven T\u00e4tigkeiten lassen sich in durchmischte Quartiere integrieren. Insofern brauchen wir auch in Zukunft Fl\u00e4chen f\u00fcr ausschlie\u00dflich industriell-gewerbliche Betriebe, aber auch diese Fl\u00e4chen sollten verdichtet und aufgewertet werden, um sie zukunftsf\u00e4hig zu machen. <\/span><\/p>\n

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Wir haben viel dar\u00fcber gesprochen, dass wir <\/span><\/b>Commons<\/span><\/b> schaffen und Infrastrukturen st\u00e4rken m\u00fcssen, um St\u00e4dte <\/span><\/b>resilient<\/span><\/b> zu machen. Viele Kommunen haben allerdings gro\u00dfe Sorgen, dass sie ihre ambitionierten Programme in den n\u00e4chsten Jahren nicht mehr finanzieren k\u00f6nnen. Brauchen wir eine v\u00f6llige Neuordnung der kommunalen Finanzen?<\/span><\/b><\/p>\n

Ganz sicher muss die Finanzkraft der Kommunen gest\u00e4rkt werden Wir brauchen auch eine kommunale Entschuldung. Wir m\u00fcssen die Finanzierung des Aufbaus des \u00f6ffentlichen Nahverkehrs so regeln, dass die die kommunalen Kassen nicht zu sehr belastet. Im Augenblick nehmen wir sehr hohe Schulden in Kauf, um die Konjunktur in Gang zu halten. Die entscheidende Frage ist: Wie k\u00f6nnen wir auf st\u00e4dtischer Ebene Zukunft gestalten? Nat\u00fcrlich muss man mit Verschuldung vorsichtig und verantwortungsvoll sein. Aber wenn wir Geld f\u00fcr extrem niedrige Zinsen aufnehmen, um Zukunftsinvestitionen zu machen, die dann wieder eine Rendite abwerfen \u2013 dann ist es eine ganz andere Geschichte. Daf\u00fcr m\u00fcssen wir die kommunalen Finanzen neu strukturieren und die Kompetenz zwischen Bund, L\u00e4ndern und Kommunen neu regeln.<\/span><\/p>\n

 <\/p>\n

Fehlt uns eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auf der Stadtebene?<\/span><\/b><\/p>\n

Es werden bisher klassische Kosten-Nutzen-Analysen gemacht, die in der Regel viele \u201cexterne Effekte\u201d, wie zum Beispiel die st\u00e4dtische Dividende gar nicht ber\u00fccksichtigen. Da m\u00fcssten wir zu neuen Beurteilungskriterien kommen. Die bisherigen <\/span>kameralistischen<\/span> Regeln, mit denen wir unsere St\u00e4dte verwalten, sind nicht zukunftsf\u00e4hig. Wir brauchen neue Finanzinstrumente und Finanzkonzepte, um <\/span>Commons<\/span>, Daseinsvorsorge und neue \u00f6ffentliche Verkehrssysteme so zu finanzieren, dass die Vitalit\u00e4t und die Rentabilit\u00e4t der St\u00e4dtestrukturen zukunftsf\u00e4hig erhalten werden. Und nicht im Vorhinein sagen: Dieser Geldbetrag ist da, den k\u00f6nnen wir investieren und das war es dann. Damit untergraben wir die Zukunftsexistenz unserer St\u00e4dte.<\/span><\/p>\n

 <\/p>\n

Vielen Dank!<\/span><\/b>\u00a0<\/span><\/p>\n

 <\/p>\n

Bildquelle<\/span>: \u00a9 Dieter L\u00e4pple<\/span>\u00a0<\/span><\/p>","protected":false},"featured_media":3561,"template":"","categories":[45],"tags":[],"class_list":["post-3560","nnc-playbook-posts","type-nnc-playbook-posts","status-publish","has-post-thumbnail","hentry","category-perspektiven"],"acf":[],"yoast_head":"\nPost Corona City Playbook \u2013 Interview mit Dieter L\u00e4pple | Urban Change Academy<\/title>\n<meta name=\"robots\" content=\"index, follow, max-snippet:-1, max-image-preview:large, max-video-preview:-1\" \/>\n<link rel=\"canonical\" href=\"https:\/\/b13sfdy.myrdbx.io\/en\/nnc-playbook-posts\/interview-dieter-laepple\/\" \/>\n<meta property=\"og:locale\" content=\"en_GB\" \/>\n<meta property=\"og:type\" content=\"article\" \/>\n<meta property=\"og:title\" content=\"Post Corona City Playbook \u2013 Interview mit Dieter L\u00e4pple\" \/>\n<meta property=\"og:description\" content=\"Dieter L\u00e4pple ist emeritierter Professor f\u00fcr Stadtforschung an der HafenCity Universit\u00e4t Hamburg. 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