{"id":3572,"date":"2021-03-23T14:54:19","date_gmt":"2021-03-23T14:54:19","guid":{"rendered":"https:\/\/urbanchangeacademy.com\/?p=3572"},"modified":"2021-11-12T18:33:27","modified_gmt":"2021-11-12T17:33:27","slug":"interview-stephan-karrenbauer","status":"publish","type":"nnc-playbook-posts","link":"https:\/\/urbanchangeacademy.com\/nnc-playbook-post\/interview-stephan-karrenbauer\/","title":{"rendered":"Post Corona City Playbook \u2013 Interview mit Stephan Karrenbauer"},"content":{"rendered":"
Die Corona-Krise trifft wohnungslose Menschen mit besonderer H\u00e4rte und erfordert schnelle, flexible L\u00f6sungen f\u00fcr Betroffene \u2013 so viel ist nach dem wachr\u00fcttelnden Gespr\u00e4ch mit <\/span>Stephan Karrenbauer <\/span><\/b>klar. Der Diplom-Sozialp\u00e4dagoge ist Sozialarbeiter und politischer Sprecher des Hamburger Stra\u00dfenmagazins Hinz & Kunzt<\/a><\/span>. Dort unterst\u00fctzt und ber\u00e4t er Wohnungslose seit 1995 bei der Suche nach einer Wohnung oder Unterkunft, b\u00fcrokratischen Fragen, Suchtproblemen, Einsamkeit und Geldsorgen. Im Interview haben wir dar\u00fcber gesprochen, vor welche Herausforderungen Corona die Sozialarbeit stellt, inwiefern der Pandemie-bedingte Leerstand in den St\u00e4dten eine Chance f\u00fcr Wohnungslose sein kann und warum auch in der Sozialen Arbeit mehr experimentiert und evaluiert werden sollte.<\/span><\/p>\n <\/p>\n Das Interview mit Stephan Karrenbauer fand am <\/span>15.02.2021<\/span><\/b> statt. In Deutschland ist die Zahl der registrierten Neuinfektionen in den letzten Wochen stark zur\u00fcckgegangen. Die Debatte \u00fcber Lockerungen Corona-Ma\u00dfnahmen nimmt weiter Fahrt auf.<\/span><\/p>\n <\/p>\n Urban Change Academy: Wie erlebst Du die Corona-Pandemie pers\u00f6nlich?<\/span><\/b>\u00a0<\/span><\/p>\n Stephan Karrenbauer:<\/span><\/i> Ich erlebe sie als extrem demotivierend f\u00fcr die Sozialarbeit. Ich bin zum ersten Mal in einer schweren, schweren Krise. Einerseits erhalten wir ganz viel Zustimmung und Spendengelder, um Wohnungslosen Unterst\u00fctzung anzubieten, andererseits erlebe ich ein Versagen seitens der Beh\u00f6rdenleitung, <\/span>das<\/span> ich so noch nie gesehen habe. Alle laufen mit Maske rum, wodurch es schwieriger ist, Kontakt zu Wohnungslosen aufzunehmen. Da wir mit vielen Menschen zu tun haben, die wenig oder schlecht Deutsch sprechen, ist die Mimik ganz entscheidend, um ins Gespr\u00e4ch zu kommen. Dadurch kommt es zu vielen <\/span>Missverst\u00e4ndnissen. Was die Atmosph\u00e4re betrifft, ist unsere Arbeit ganz anders geworden. Wir m\u00fcssen so viel erkl\u00e4ren wie noch nie zuvor. Die \u00d6ffentlichkeit m\u00f6chte wissen, warum das Hilfesystem f\u00fcr Wohnungslose w\u00e4hrend des ersten <\/span>Lockdowns<\/span> zusammengebrochen ist. Ganz wichtig ist uns: Wir hatten keine Angst, dass wir uns bei den Menschen anstecken, sondern dass wir sie anstecken. Wohnungslose geh\u00f6ren zu einer Gruppe, die ein schwaches Immunsystem haben und wir sind diejenigen, die das Virus aus dem Skiurlaub mitgebracht haben k\u00f6nnten.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n <\/p>\n Wie wirkt sich Corona f\u00fcr die Wohnungslosen aus?<\/span><\/b>\u00a0<\/span><\/p>\n Seit Dezember sind 13 Obdachlose verstorben. Seit ich hier arbeite, gab es das noch nie. Wir tun, was wir k\u00f6nnen. Durch die hohe Spendenbereitschaft ist es m\u00f6glich, neue Hilfsma\u00dfnahmen anzuschieben. Zusammen mit der Diakonie und anderen Partnern konnten wir 170 Wohnungslose in Hotels unterbringen. Das l\u00e4uft wirklich gut aber bei dieser gro\u00dfen Anzahl an Menschen kann immer etwas schiefgehen. Das ist ein sehr gro\u00dfer emotionaler Druck.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n <\/p>\n Was w\u00fcnschst Du dir f\u00fcr die n\u00e4chsten Wochen ganz konkret von der Politik?\u202f<\/span><\/b>\u00a0<\/span><\/p>\n Ich w\u00fcnsche mir eine st\u00e4rkere Unterst\u00fctzung: Dass \u00f6ffentlich gesagt wird, dass wir gute Arbeit leisten. Dass wir mehr R\u00fcckendeckung bekommen, wenn etwas schiefgeht und man nicht mit dem Finger auf uns zeigt. Dass die Beh\u00f6rde sagt: Wir k\u00f6nnen zwar nicht allen ein Einzelzimmer anbieten aber wir versuchen, den Wohnungslosen einen bestm\u00f6glichen Schutz zu geben, bis sie eine Impfung bekommen. Ob das machbar ist, kann ich nicht sagen. Aber ich w\u00fcrde mir w\u00fcnschen, dass man das Ziel gemeinsam aussprechen darf.<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n <\/p>\n In einem Kommentar in <\/span><\/b>Hinz&Kunzt<\/span><\/b> hast Du geschrieben, das Hilfesystem sei mit Corona zusammengebrochen und bis heute nur eingeschr\u00e4nkt wieder in Betrieb. Was bedeutet das f\u00fcr wohnungslose Menschen?<\/span><\/b><\/p>\n Bis zum heutigen Tag bieten nur sehr wenige Einrichtungen das gleiche Programm wie vor der Pandemie, allein wegen der Hygienekonzepte. Bei <\/span>Hinz&Kunzt<\/span><\/a> hatten wir einen gro\u00dfen Raum, in dem Wohnungslose immer Kaffee und Tee bekommen haben und sich ausruhen konnten. Dieser Raum ist nun geschlossen und alles l\u00e4uft \u00fcber ein paar ge\u00f6ffnete Fenster. Das ist in vielen Tagesaufenthaltsst\u00e4tten \u00e4hnlich \u2013 Wohnungslose k\u00f6nnen sich dort nicht mehr von morgens bis abends aufhalten, sie bekommen nur noch ein Zeitfenster zugeteilt. Und in diesem Zeitfenster m\u00fcssen sie essen, die k\u00f6rperliche Hygiene erledigen, ihre Post machen und Beratungsgespr\u00e4che wahrnehmen.\u202f<\/span>\u00a0<\/span><\/p>\n